Letzte Woche war ich seit März das erste Mal wieder im Büro. Das fühlte sich bei permanentem Home Office und den Coronazeiten wie eine Reise in die Vergangenheit an. Neben etwas Staub, einer leeren Flasche und unbenutzten Geräten wartete dort ein Brief von den Quality Minds auf dem Tisch: mein Zertifikat zum Abschluss meiner Ausbildung als Lerncoach.

Achja, da war ja was:

Und da ich gerade in Kürze wieder über das Thema sprechen darf, wäre es doch mal cool zu fragen:Was sind die wichtigsten Dinge, die ich während und nach der Ausbildung zum agilen Lerncoach gelernt habe? Ich habe mir drei Aspekte herausgesucht.

1. Was Agiles Lernen und Lerncoaching im Kern bedeutet

Ich beantworte diese Frage sehr regelmäßig und es ist auch nicht verwunderlich, dass sie gestellt wird. Unsere Arbeits- und Lebenswelt ist ja voll von Trendbegriffen, Neuninterpretationen und Neuzusammensetzungen. Im Falle des agilen Lernens und des Lerncoachings sind die Ideen nicht neu und vielleicht kommen wir hier damit einfach auch (wieder) zur puren Natur des Lernens.

Lerncoaches begleiten Menschen und Gruppen von Menschen bei selbstgewählten, selbstgesteuerten und selbstorganisierten Lernvorhaben. Wie beim Coaching oft üblich, sorgen sie für den Prozess, den Rahmen und ein Stück weit auch für ein methodisches Vorgehen im Lernprozess. In gewisser Weise stehen Lerncoaches auch für eine Verbindlichkeit. Die schaffen sie vor allem über das permanente Erinnern an die Formulierung und Verfeinerung von individuellen Lernzielen. Gott, allein Lernziele sind so ein Riesenthema!

Darüber hinaus bewegen sich Lerncoaches und Lernende in einem System, einer Organisation z.B. einem Unternehmen, das gewisse Rahmbedingungen braucht, um diese Selbststeuerung der Lernenden „auszuhalten“ oder positiv gesagt: zu ermöglichen.

Lerncoaches sind keine Lehrer*innen, die dir sagen was und wie du lernen musst und am Ende über Erfolg und Misserfolg entscheiden.

Sie sind Lernexperten, die dir aufzeigen, wie du es anstellen kannst, wie du deinen Weg zum Lernziel findest und diesen Weg für dich frei machen.

Wenn wir an den oder die Lernenden denken, dann kommt wir auch gleich zu den Grundprinzipien von agilem Lernen:

Prinzipien agilen Lernens

Hier wird auch klar, dass Lernende mit der Hilfe von Lerncoaches das Steuer übernehmen, testen, ausprobieren und ihre eigene Lernfähigkeiten trainieren. Denn das ist nicht zu unterschätzen: Am Ende geht es immer auch darum, zu lernen, wie Lernende selbst am besten lernen. Oder im agilen Jargon: permanentes „Inspect & Adapt“.

2. Theorie, Praxis, Anwendung und Austausch im Lernprozess

Es steht schon oben, dass Lernen, Übung & Praxis untrennbar verbunden sein sollten. Ich würde noch ergänzen, dass Austausch oder anders ausgedrückt, das Lernen in sozialen Kontexten, dazugehört. Working Out Loud lässt grüßen.

Während der Ausbildung habe ich direkt nach den ersten Lektionen angefangen, das Gelernte auszuprobieren, zu testen und zu teilen. Und ich habe auch danach nicht damit aufgehört. Denn das ist für den Lernerfolg und das Festigen des Gelernten im Hirn wichtig. Lerntheoretisch sprechen wir da von unterschiedlichen Formen und Tiefen der Verarbeitung des Gelernten. Je tiefer und unterschiedlicher die Verarbeitung, desto stärker die Verankerung und Abrufbarkeit im Hirn.

Hier ein paar Beispiele, was möglich ist. Damit ihr eine Idee davon bekommt, was über die Ausbildungsinhalte hinaus möglich sein kann.

  • an Communities of Practice teilnehmen
  • Anderen über die Ausbildungsinhalte berichten und deren Fragen sammeln (Vorträge, Sessions auf Open Spaces, Teammeetings)
  • Videos und Blogbeiträge erstellen
  • Testlerner*innen in Einzelcoachings und Lerngruppen coachen
  • Lerngruppen mit anderen Teilnehmenden der Ausbildung oder auch Working Out Loud Circle
  • Parallel ähnliche Kurse und Inhalte durchstöbern, um die Perspektive zu erweitern wie z.B. Learning How To Learn
  • noch jedem Tag oder jedem Meeting in 30 Sek alles notieren, was du gelernt hast – und das für ein paar Wochen. Bin gespannt welchen Effekt das bei euch hat 😉

So sah dann zum Beispiel ein Vortrag von mir über Lerncoachung vor ein paar Monaten aus:

3. Lernen wieder neu kennenlernen

Ich gebe zu, Lernen in schulischen und universitären Kontexten war nie so mein Ding. Damit bin ich sicher nicht allein. Und auch in Unternehmenskontexten wird gern aus dem Weiterbildungskatalog bestellt. Die Produkte darin sind leider nur begrenzt auf die Bedürfnisse jedes einzelnen Lernenden zuschneidbar. Sie können Teil eines Lernvorhabens sein, keine Frage, aber niemals vollkommen individuell sein.

Es ist also kein Wunder, dass Lernen irgendwie nach muffigen Unterrichts- und Seminarräumen, Klausuren, hakeligen e-Learning Plattformen, Webkursen, Zertifizierungen und „allwissenden Lehrenden“ riecht. Was also wenn wir diesem Geruch Frische einhauchen? Wenn wir Lernen wieder anders besetzen („reframen“)? Als das, was es immer war? Als zutiefst menschlich. Geprägt durch Neugierde und den Wunsch nach Wachstum und dadurch wiederum auch zur Erlangung von Selbstwirksamkeit?

Ich glaube, dass es mit zur größten Aufgabe eines Lerncoaches zählt, Lernende und Institutionen neu für Lernen zu begeistern. Aus dieser Begeisterung dann gemeinsam eine Lernkultur schaffen, in der Lernen weniger Zwang und Quelle von Ängsten und unguten Erfahrungen ist, sondern Entwicklung in positiv besetzter Form. Denn machen wir uns nichts vor, Lernen war schon immer cool – nur was wir daraus gemacht haben, ist es nicht. Es reicht auch nicht allein „agil“ davor zu setzen. Aber das ist schon ein Anfang.

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Dieser Artikel erschien zuerst auf LinkedIn.

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